Elegantes Spazieren
Von außen wirkt der Salon del Norte wie eine große Laterne, in der statt einer Kerze ein Kronleuchter scheint. Die Fenster des Tanzsaals sind hoch genug, sodass seine mit Stuck verzierten Decken auch vom Garten zu erkennen sind. Dort, im Dunkeln, steht Christine Jacob auf dem feuchten Rasen und blickt auf ihr Zuhause: unten ihr Tangosalon, oben ihre Wohnung. Seit 18 Jahren lebt und unterrichtet sie hier.
Der Weg aus dem Garten zum Saal führt durch einen kleinen Raum im Keller mit Bänken, auf denen einige Tänzer ihre Schuhe wechseln. Es ist Montagabend und wie an fast jedem Abend bedeutet das für Jacob, eine Tangogruppe anzuleiten. Die zierliche Frau steigt schnell die Stufen der Holztreppe hoch ins Erdgeschoss in den Flur, der dank seiner hohen Decke und den mächtigen Türzargen einer Lobby gleicht. Jacob hat ein altes Fotoalbum herausgekramt, sie hat festgehalten, wie das alte Fachwerkhaus ihrer Tante nach und nach zu einem Tanzstudio mit Wohnung wurde.
Der Stil des Hauses erinnerte sie an den der Wohnungen, die sie in Argentinien gesehen hatte. Drei Jahre lang hat es gedauert, bis alles fertig war. Der Betrieb der Tanzschule hat schon früh angefangen, also habe sie immer alles entstauben müssen, sagt Jacob. 1985 gründete sie ihre erste Schule, 15 Jahre später öffnete sie in Vegesack den Salon del Norte, der wie ein Ort der Begegnung wirkt.
Mit Gefühl und Improvisation
Die Klingel läutet, Tänzer kommen herein. Du hast die Fotos noch?, fragt ein Herr, als er das Album in ihren Händen entdeckt. Eine herzliche Umarmung, ein kurzer Plausch, schnell umziehen und dann endlich: Tango. Wandleuchten, Kerzen und ein Lichtschlauch tauchen den Saal in ein schummriges Licht. Die bemalte Decke, die holzverkleideten Wände: Der Raum wirkt wie die Kulisse eines Traums. Man sieht gerade so viel, dass man Gesichter und Möbel klar erkennt, und doch so wenig, dass der Fantasie noch genug Platz bleibt, um die dunklen Winkel mit Geschichten zu füllen.
Zwei Paare tanzen bereits. Die Klänge eines Bandoneons füllen den Raum und mischen sich mit dem leisen Schleifen von Schuhsohlen über das Fischgrätparkett. Dieses reagiert hin und wieder mit einem Knatschen auf die Schritte der Tänzer. Wieder geht die Klingel und weitere Tänzer betreten den Saal. Schließlich haben sich fünf Paare gefunden. Die Musik ist in den Vordergrund gerückt, das Schleifen und Knatschen kaum noch zu hören. Es gibt keinen offiziellen Beginn, keine Ansprache von Christine Jacob. Getanzt wird Tango Argentino – ohne feste Choreografie, sondern mit Gefühl und Improvisation.
„Es dürfen keine Schritte auswendig gelernt werden“, sagt Peter Rücknagel. Seit knapp acht Jahren tanzt er Tango, seine heutige Partnerin, Aurelia Stelling, erst seit wenigen Monaten. Sie stehen sich gegenüber, heben die Arme zu einem Bogen und bewegen sich aufeinander zu, bis Stellings rechte Hand sicher in Rücknagels linker liegt und ihre linke Hand auf seinem Schulterblatt ruht. Eine unvollendeten Umarmung. So stehen sie da und warten auf den richtigen Takt.
„Es ist eine schöne Begegnung“, sagt Jacob über den Tango. „Die Sinnlichkeit ist immer da.“ Sie steht am Rand des Saals, verschränkt die Arme und beobachtet die Bewegungen ihrer Schüler. Sieht Jacob etwas, das nicht stimmt, stellt sie sich neben das Paar und möchte den Schritt noch einmal sehen. „Das ist ein ganzer Takt, der möchte, dass du dich hinstellst“, sagt sie zu einem Tänzer und stellt ein Fuß stampfend neben den anderen. Sie ruft Sätze wie „Achse, Achse!“ und „Nee, nee, das ist ein Dreiviertel“. Oder sie fasst eine Tänzerin mit beiden Händen an der Hüfte und korrigiert: „Und da bist du zu schnell“.
Jacob hat ihre Tänzer im Blick, dabei hilft ihr der große Spiegel an der Wand. Und die Erfahrung. Jacob hat in den 1980er-Jahren mit dem Tango begonnen. Die Leidenschaft für den Tanz lodert bis heute in ihr.
Aurelia Stelling trägt ein leichtes Minikleid und rote Stilettos, deren Absätze kaum den Boden berühren, während Rücknagel Stelling über das Parkett führt. „Zu führen bedeutet, den Akzent zu setzen, aber den Schritt nach vorne muss die Frau selbst machen“, sagt er. Für Stelling ist Tango wie ein Gemälde: „Der Mann ist der Rahmen und die Frau das bunte Bild.“ Sie gleiten über den Boden, ihre Beine schlängeln sich umeinander, ohne sich zu verhaken, elegant landen die Füße dort, wo sie hin sollen. Je besser die Tänzer, desto flüssiger die Bewegungen. „Der Tango lebt von den Schritten“, sagt Jacob. „Er ist das schöne Gehen miteinander.“
Christine Jacob und Gustavo Vidal beim Fotoshooting am Vegesacker Hafen
Tango ist ein lebenslanger Weg
Der junge Student kreiselt mit seiner tangomäßig lila bestrumpften Partnerin die schwierige Figur Donna Muorta: Der Herr umkreist die Dame eng gegen Uhrzeigersinn, sie ist sein Sonnensystem, um das er sich dreht. Sie dreht leicht auf der Stelle mit, darf dabei nicht aus der Achse kippen. Ein falscher Schritt und die Frau hängt an dem Herrn wie eine umkippende Litfasssäule. Daran trauen wir uns noch nicht, hier. Lieber die klassischen Schritte: Base, Grundschritt ins Kreuz getanzt; hier und da weit schleifende Ochos - zu weit für den kleinen Raum -; die Partnerin improvisiert einen ersten Übersteiger; Herz an Herz stoppen wir auf der Stelle den 'Herzsprung'; in der Ecke des Raumes, der uns mit seinem abendsonnengelben Stuck fasziniert, drehen wir mit einer Linksdrehung auf Stelle.
Christine Jacob unterbricht uns: 'Was wollt Ihr lernen heute, an welchen Figuren wollt Ihr arbeiten?' Uns fällt nichts ein. 'Wie wäre es mit der Rechtsdrehung?' Sie tanzt es mit ihrem langjährigen Partner Dieter Pundt vor, klein, exakt auf der Stelle getanzt, die Achse der Frau wunderbar ausbalanciert. 'Achte auf den dritten Schritt, da musst Du die Frau eindrehen, dabei aber sicher stehen und Dein Gleichgewicht gut halten.' Verstanden, aber nicht mit den Füßen: Das linke Bein wird durch die Fliehkraft nach außen katapultiert, wir beginnen zu kippen. Ankommen, entspannen, langsam miteinander gehen, die Balance und die Achse spüren, die Ruhe finden. Das sei ihre Tanzphilosophie, erklärt später die gebürtige Bambergerin, die vor 30 Jahren im Club 'Carree' beim alten Bremer Fundamt zum ersten Mal mit dem Tango-Argentino-Fieber infiziert wurde: 'Ich dachte, das wäre deutscher Tango, ein Freund aus Berlin hatte den Tanz mitgebracht.' Nicht das Erlernen kompliziertester Figuren, die ansonsten nur Messi auf dem grünen Rasen tanzt, steht beim Tangolernen im Salon del Norte im Vordergrund. Sondern das Miteinander, das Zusammensein der Tänzer.
'Tango ist ein lebenslanger Weg wie Yoga, ein geistiges und körperliches Bedürfnis', sagt Christine Jacob, die nicht zufällig auch Yoga praktiziert. Im Grunde genommen sei Tango dasselbe wie die asiatischen Körper- und Geistesübungen: Sich selbst in der Umgebung achtsam wahrzunehmen - gesteigert dadurch, dass man das mit einer Partnerin macht.
Nahezu jeden Abend wird in dem 'Schweizer Haus' in der Uthhoffstraße 56 getanzt. Tango Argentino, der sich wesentlich vom deutschen Tanzstundentango dadurch unterscheidet, dass es bei ihm keine vorgeschriebenen Schrittfolgen gibt und er erdiger und zugleich weicher getanzt wird - ein und dasselbe Tangostück wird von jedem Paar ganz anders interpretiert - , und der Modetanz Salsa, der nicht zuletzt durch die alten Herren vom Buena Vista Social Club eine Renaissance erlebte. In der Regel sind es fortlaufende Kurse mit festen Paaren, doch ein Einstieg ist nach Rücksprache möglich. Zwei Mal im Monat läuft ein Einsteigerkursus für Anfänger, jeden ersten Sonnabend im Monat gibt es den offenen Tanzabend, in der Tangosprache Milonga genannt, an dem sich bis zu 60 Milongueros einfinden, der übliche Tangotourismus schwappt sogar Tänzer aus Holland und Kassel in den Nordsalon.
Salon del Norte, Uhthoffstraße 56, Telefon 0421/706593, www.salondelnorte.de; jeden Tag (außer Freitag und Sonnabend) fortlaufende Tango- und Salsakurse (Einstieg nach telefonischer Rückfrage möglich), jeden ersten Sonnabend im offener Tango-Ball (mit Showeinlage); unregelmäßig Musik, Theater und Kleinkunst; Saal auch für Familienfeiern buchbar.
Tango unter kostbaren Decken
Christine Jacob hat ein Schmuckstück an der Uhthoffstraße wieder hergerichtet
Vegesack.Die Decke ist ein Traum in Pastell und Gold.Pralle Granatäpfel liegen dort in Obstschalen, umrahmt von üppigen Ornamenten.Die Wände nicht weniger pompös, verziert mit Ranken, bemalt mit kleinen Pfeifen oder Büchern.Für Christine Jacob war es Liebe auf den ersten Blick.Als sie vor rund eineinhalb Jahren das Haus an der Uhthoffstraße erwarb, war sofort klar für sie: "In diesem Salon muß getanzt werden." Das Haus atmet Geschichte.So genau weiß es Christine Jacob nicht, aber sie hat gehört, das Fachwerkgebäude sei 1826 errichtet woren.Es gibt ein altes Bild, auf dem das Haus allein auf weiter Flur steht.Im Salon selbst hat sie während der Renovierungsarbeiten die kleine Jahreszahl 1896 entdeckt.Sie geht davon aus, dass dieser Teil später hinzugefügt oder zumindest umgestaltet worden ist.Wie der Salon ursprünglich genutzt wurde, weiß sie nicht.Zuletzt aber befand sich hier ein Büro, von der kostbaren Decke hingen einige Neonröhren herab.Der Vegesacker Afrikaforscher Gerhard Rohlfs soll hier gewohnt haben.Dazu passt auch ein Wandgemälde mit eindeutig südländischen Pflanzen.Es soll sogar einst ein Pyramidenzelt im Salon gestanden haben.Aber so genau weiß das Christine Jacob nicht.So will sie sich, wenn Zeit ist, an die Rohlfs-Experten vom Heimatmuseum Schloss Schönebeck wenden.Selbst den Nachbarn an der Uhthoffstraße sei nicht bekannt gewesen, welche Perle das Haus verberge.Und dieser Schatz,sagt Christine Jacob, sollte abgerissen werden, weil die früheren Besitzer verstorben waren und sich erst kein Käufer für die betagte Immobilie fand.Ein Bekannter wollte der an Antiquitäten interessierten Christine Jacob eigentlich nur die gusseiserne Heizung mit Verkleidung zeigen.So kam die gebürtige Bambergerin in den Saal."Ich habe es sofort fertig gesehen", meint sie.Klar war ihr dabei von Anfang an , dass sie keine Angst vor der bevorstehenden Renovierungsarbeit haben dürfte.Sie hofft, dass sie nun in rund zwei Monaten fertig ist.Zuerst war die Decke, schildert sie, fast schwarz.Die farbe aber, mit der die Stuckverzierungen bemalt sind, haben die Reinigung genauso gut überstanden, wie die Bilder an der Decke.An eines der Gemälde auf Gips hat sie sich indes nicht herangetraut, weil die über einhundert Jahre alte Farbschicht abzuplatzen droht.Auch die Wände sahen noch vor eineinhalb Jahren ganz anders aus.Die großen Flächen zwischen den stilisierten Säulen waren mit Tapete überklebt.Heute hingegen sind die alten Blumenranken und kleinen Bilder wieder sichtbar.Komplett wird das Ensemble mit einer Bar mit Buffet, einem kleinen Zimmer mit Sofas und Stühlen sowie einem Wintergarten.Die Veranstaltung von Tanzabenden ist dabei für Christine Jacob nicht neu.Ihr gehörte in Bremen zunächst das " La Tanguero ", heute das größere " La Cita ".Mit dem " Salon del Norte " möchte sie eine Lücke schließen für die mittlere Altersschicht."Bestätigung bekomme ich immer wieder. Es gibt Bedarf und es wird angenommen."Das Ausgehen mit Tanz kommt langsam wieder in Mode.Einmal im Monat finden ein Tango- und ein Salsa-Abend statt.Bald soll das Angebot erweitert werden.Zudem gibt es Brunch und Konzerte.Und schließlich bietet der " Salon del Norte " Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene an.Wer Interesse hat kann sich unter der Rufnummer 0421-706593 an die Neu-Nordbremerin wenden oder eine email an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! schreiben
Quelle: WESER-KURIER / DIE NORDDEUTSCHE, Mo,07.01.2002 (Michael Brandt)
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Liebesgeschichte im Zeitraffer
Tango ist nicht nur Erotik, für manche scheint er eine Obsession zu sein. Dieser Eindruck lässt sich gewinnen, wenn man in einer lauen Nacht in Bremens offenen Tango-Treffs unterwegs ist. Die Szene an der Weser zählt rund 1.500 Tänzerinnen und Tänzer.
...."Tango ist ein Weg", sagt Christine Jakob, die ich dann später traf. Sie fasziniert der Tango schon seit 20 Jahren. Die Fünfzigjährige ist auch so eine Art Leitfigur der Bremer Tango - Szene. Ja, so etwas gibt es: Eine Tango - Szene mitten im hohen Norden Deutschlands, die ihre Sehnsucht nach innigster Begegnung im latein-amerikanischen Tanz zelebriert. Um genau zu sein, handelt es sich sogar um eine Bremer und Oldenburger Szene. Mit dem Standard-Tango des deutschen Tanzparketts habe das allerdings nichts zu tun, darauf weist Christine nachdrücklich hin.
Der Tango Argentino entstand Ende des 19. Jahrhunderts in Buenos Aires, im Hafenviertel La Boca, das überschwemmt war von Immigranten aus Europa. Aus der Milonga - eine fröhliche Mischung aus afrikanischer, kreolischer und spanischer Musik - wuchs nach und nach der Tango der Armen, den die wehmütigen und enttäuschten Einwanderer prägten. Im Tanz drückten sie ihre Sehnsucht aus. "Tango: ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann", so beschrieb einer der ganz Großen des Tango, Enrique Santos Discèpolo, diese in Bewegung umgesetzte Musik. Als anrüchig galt der Tango lange Zeit, in Europa wie auch bei der argentinischen Elite. Bis die Pariser Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts diesen Tanz für sich entdeckte...
Aber zurück zu Bremen: Auf 1.500 Leute schätzt Christine Jacob den Kern der Tango-Szene. "Entweder man verfällt ihm oder man merkt schnell, dass dieses intensive Zulassen von Körper- und Seelenausdruck nichts für einen ist", konstatiert Christine. Sie gehört eindeutig zur ersten Kategorie. Drei "Tango-Lokale" hat die Bremerin schon eröffnet: Das La Cita, das Tanguero und den Salon del Norte. Die beiden ersteren musste sie nach Jahren schließen.
Geblieben ist der Salon in Vegesack. Denn, so erklärt Christine, die Szene erlebt natürlich auch ihre Hochs und Tiefs. Wenn man vor fünf Jahren noch jeden Tag im Viertel Tango tanzen konnte, beschränkt sich das heute auf dreimal die Woche. Dazu gehört das Lagerhaus, Schildstraße und das La Milonga in der Stader Straße. Auch im Goethe-Theater findet einmal im Monat ein Tango-Abend statt. Die Tango-Lehrerin, die in ihrem Bremernorder Salon auch
die Grundformen (es gibt keine festgelegten Figuren) unterrichtet, ist eine Verfechterin der "offenen Orte" für Tango. Dieser Tanz gehöre zur gesellschaftlichen Kultur und dürfe nicht in Tanzschulen einstauben. Denn der Tango lebe erst wirklich durch die Begegnung vieler Menschen.....
Quelle: TAZ vom 19.04.2003, Daniela Barth
Toujours La Piaf
Hommage an den Spatz von Paris
Ein Leben zwischen Hingabe und Leid
VEGESACK. "Non, je ne regrette rien." Vom Plattenspieler tönt die Stimme von Edith Piaf. "Balayés mes amours." Mit Handbesen und Kehrschaufel fegt Danielle singend durch den Raum. Doch die Platte hat einen Sprung. "Mes amours, mes amours." Der Spatz von Paris, gefangen in der Endlosschleife der Liebe. Die sie verzweifelt suchte und an der sie zugrunde ging. Das Drama ihres Lebens. Annette Ziellenbach bringt es mit der Plattenspieler-Szene auf den Punkt. Als Haushälterin Danielle packt sie auf der Bühne zwischen verhüllten Möbeln, Kartons und einem Klavier die Habseligkeiten eines erloschenen Lebens zusammen. Man schreibt das Jahr 1963, Oktober. Edith Piaf, erfährt das Publikum, ist eine Woche zuvor verstorben. Ein rotes Friedhofslicht flackert vor einemPortrait der Chanson-Sängerin. "Ich liebe Sie. Ich verehre Sie", schluchzt Danielle von Gram übermannt. Und schwelgt in Erinnerungen an die verlorene Hausherrin.Im "Salon del Norte" lässt die Schauspielerin Annette Ziellenbach, Mitglied der Bremer Shakespeare Company, das Leben der Chanson-Ikone in einer Collage aus Szenen und Liedern Revue passieren. "Toujours La Piaf" ist eine Hommage aus der Sicht der Haushälterin an den Spatz von Paris. Während sie als Danielle ein letztes Mal die Kleider und andere persönliche Sachen der Toten ordnet, zeichnet Ziellenbach ein lebendiges Bild der Piaf als Mensch. Ohne sie zu imitieren. Die Rolle der Haushälterin ist ein Kunstgriff: Ziellenbach kann die Chansons singen, ohne wie die Piaf klingen zu müssen. Obwohl sie dem Original manchmal verblüffend nahe kommt. Auch äußerlich: Mit zierlichen 1.56 Metern ist die Mimin nur acht Zentimerter größer als der kleine Spatz mit der großen Stimme. Es ist die Mischung aus Lebensschilderung und passend ausgewählten Chansons, mit der Ziellenbach ein eindrucksvolles Portrait der Piaf gelingt. Edith, die ewig Suchende, die ihre Liebhaber nach ihrem Bild vom perfekten Mann formen wollte. "Marineblauer Anzug, Krokoschuhe, goldene Manschettenknöpfe." Ein Zuschauer aus der dritten Reihe lässt sich ins Jacket zwängen und wird auf ein Podest erhoben. "Yves Montand!" Oder George Moustaki, der für Edith "Milord" komponierte. "Allez, venez, Milord! Vous assoir à ma table", umgarnt Ziellenbach im schwarzen Négligé den Mann aus dem Publikum. Der "Hymne à l’amour" mit den Höhenflügen der Leidenschaft folgen die Enttäuschungen und die Abstürze in den Suff. Edith, die traurige Liebende, in deren Liedern und Leben die Tränen in Strömen flossen. "C´est l´amour qui fait pleurer", heißt es in einem Chanson. In "Les Amants" lässt Ziellenbach im Duett mit ihrem Pianisten die Liebenden weinen.Alexander Seemann gibt den arbeitslosen Musiker aus dem Piaf-Orchester, der gekommen ist, um Notenstapel in seiner Aktentasche abzuholen. Stumm bewegt er sich über die Bühne, greift in die Tasten. "Les mots d´amour" als Klangkulisse für eine meisterliche szenisch-musikalische Charakterisierung der Piaf: "Ihre Stirn war gewölbt wie die eines Napoleon." Zu zarten Klavierklängen streicht sich Ziellenbach mit der Hand über das Gesicht. "Ihre Augen sind wie die eines Blinden, der wieder sehen kann. Und jetzt rollt sie mit einer Stimme, die aus dem Innersten kommt, einen Teppich aus schwarzem Samt aus." Mit jedem Wort schwillt Ziellenbachs Stimme, wird lauter und kraftvoller. Die weit ausgebreiteten Arme heben sich, begleitet vom tosenden Crescendo des Pianos, in einer großen Geste zur Decke. Die Piaf in ihrer ganzen Bühnendramatik. Mit der Zugabe "Je ne regrette rien" entlassen die Künstler ein begeistertes Publikum.
Quelle: DIE NORDDEUTSCHE vom 21.03.2006, Gabriela Keller
Tango - getanzte Leidenschaft
Schautag im Salon del Norte lockte aufs Parkett
VEGESACK. Einmal im Monat bittet das Team vom Salon Del Norte in der Uthoffstraße zum kostenfreien Schautag für Salsa und Tango. Es versammelten sich zahlreiche schnupperfreudige Tänzer und Tänzerinnen. Manche waren schon oft dabei, andere wagen sich zum ersten Mal auf das Parkett.Der offene Tanztag beginnt mit Salsa, dem pulsierenden erotischen Tanz, der im Salon del Norte im kubanischen Casinostyle und New Yorker Stil unterrichtet wird. Weiche runde Bewegungen kennzeichnen den leidenschaftlichen Casinostyle, das Paar spielt mit einander, umkreist sich, nähert sich und trennt sich wieder, während der momentan populärere New Yorker Stil sehr viel linearer getanzt wird und einen strikteren Rhythmus verfolgt. Doch gleich in welchem Stil, Salsa ist emotionsreich getanzter Flirt und pure Lebensfreude. Christine Jakob, Inhaberin des Tanzstudios und ihr Tanzpartner Dieter Pundt zeigen in kleinen Showeinlagen, welche Möglichkeiten diese Tänze bieten. In der Pause sitzen Anfänger bei Kaffee und Kuchen neben "alten Hasen" und lassen sich anstecken von deren Begeisterung für ihr tänzerisches Hobby. Viele sind heute gezielt zum Tangotanzen gekommen. Das Ehepaar Schultze schwärmt: "Einfach locker tanzen gehen, das ist das Schönste daran." Die beiden gehören inzwischen schon zu den Stammgästen im Salon del Norte. Sie haben auch Erfahrungen in den Standardtänzen des Welttanzprogramms, aber der Tango argentino hat es ihnen angetan. Sie fahren in die verschiedenen Tangoschulen Bremens, um dort an den offenen Veranstaltungen teilzunehmen. "Aber hier geht es herrlich ungezwungen zu", loben sie das Tanzstudio an der Uthoffstraße. "Wir kommen immer wieder gerne her." Im Gegensatz zum strahlenden nach außen gewandten Temperament des Salsa wirkt der Tango argentino eher introvertiert. Hingegeben tanzen die Paare mit gleitenden Schritten. Hier und dort sind dabei genießerisch die Augen geschlossen. Trotzdem zeigt sich in den Schrittfolgen und Bewegungsabläufen eine spielerische Komponente, die dem bekannten Tango im Turnierspo!
rt fast gänzlich fehlt. Weiche, fast laszive Bewegungen zeigen die Erotik, die in diesem Tanz liegt. Über Paris breitete sich dieser Tanz in Europa aus. In Deutschland waren es die Berliner Tanzpaläste, die ihn populär machten. Heute verändert sich sein Stil häufig durch die Einflüsse der Popmusik, aber im Salon del Norte wird die traditionelle Tanzweise gepflegt.Christine Jakob und Dieter Pundt nehmen sich der Einsteiger an und zeigen ihnen die Schrittfolgen, probieren sie geduldig mit ihnen aus, während die erfahreneren Tänzer ihrer Leidenschaft frönen. Slow, slow, quick, quick, slow gleiten sie im Tangoschritt über das Parkett. An diesem Nachmittag werden neue Tanzleidenschaften geboren. Wer Lust bekommen hat und es auch mal probieren will, ist am neunten April ab 14.30 Uhr eingeladen, dabei zu sein, auch finden täglich Kurse und Workshops statt. Information unter www.salondelnorte.de und unter Telefon 0421/70 65 93.
Quelle: DIE NORDDEUTSCHE vom 22.03.2006, Kirsten Kasselmann